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In unserer Freelancer-Studie bewerten die Befragten unter anderem Stundensätze und Zukunftschancen als positiv. Allerdings nagt die hohe Inflation an der Kaufkraft des Einkommens. Lesen Sie hier, mit welcher Strategie Sie höhere Honorare erzielen.
Die gute Nachricht zuerst: 70 Prozent der Freelancer in Deutschland sind mit ihrer finanziellen Situation zufrieden. Das ergab eine Befragung von über 1.350 Freelancern im Frühjahr 2023, durchgeführt von freelance.de. Das hohe Maß an Zufriedenheit gilt insbesondere für Selbständige aus der Software- und IT-Entwicklung (80 prozentige Zufriedenheit). Eher unzufrieden oder gar sehr unzufrieden mit ihrem Honorar sind zehn Prozent der Freelancer.
Hohe Inflation nagt an Kaufkraft der Honorare
Natürlich gilt für Freelancer wie für alle anderen Verbraucher: Seit Anfang vergangenen Jahres bekommen sie die Teuerungsrate zu spüren. 6,9 Prozent – so hoch lag die Inflation in Deutschland Jahresdurchschnitt 2022. Damit stieg sie laut statistischem Bundesamt gegenüber den Vorjahren deutlich. Vor allem die hohen Energiekosten und ein deutlicher Anstieg der Lebensmittelpreise sorgten für wachsende Ausgaben. Ihren Höhepunkt fand die Inflationsrate im Oktober 2022 bei 8,8 Prozent. Im Frühjahr 2023 schwächte sich die Inflation zwar ein wenig ab, blieb aber auf hohem Niveau. Das heißt: Auch gute Honorare verlieren kontinuierlich ihre Kaufkraft.
Welche Freelancer den besten Stundensatz erzielen
Der Ausgleich der hohen Teuerung war und ist ein zentrales Thema in den Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmern. Die Arbeitnehmervertreter fordern teils zweistellige Lohnerhöhungen – und erreichten beachtliche Resultate. Angestellte im Öffentlichen Dienst etwa erhalten unter anderem einen steuer- und sozialabgabenfreien Inflationsausgleich in Höhe von 3.000 Euro in mehreren Stufen.
Die 1,5 Millionen Freelancer in Deutschland dagegen verhandeln ihr Honorar mit dem Auftraggeber individuell. Viele erreichen damit gute Resultate. Die höchsten Stundensätze erzielen beispielsweise mit bis zu 132,10 Euro pro Stunde Selbständige in der Management- und Strategieberatung, gefolgt von Anbietern von HR- und Recruiting-Dienstleistungen und IT-Beratung bzw. Beratern für Digitalisierung. Finanzielle Schlusslichter sind Solo-Selbständige, die Dienstleistungen im Bereich (Web-)Design, Grafik oder Werbung anbieten.
38 Prozent der Freelancer steigerten Stundensatz in 2023
Trotz der wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Corona-Krise und den Angriffskrieg gegen die Ukraine konnten 59 Prozent der Selbständigen in den letzten drei Jahren höhere Honorare durchsetzen. Vor allem im Bereich Marketing und Kommunikation steigerten sie ihre Umsätze in dem Zeitraum (64 Prozent).
Weibliche Freelancer verdienen schlechter als männliche Kollegen
Überrascher Fakt: Wie auch unter festangestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besteht unter den Freelancern ein Gender Pay Gap, also ein Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. In der aktuellen Studie beträgt er im Vergleich der Stundenhonorare rund 9 Prozent zugunsten der Männer. Das ist sogar mehr als im Fall festangestellter Frauen: Sie verdienen 6 Prozent weniger als ihre gleich qualifizierten männlichen Kollegen. Weitere detaillierte Ergebnisse dazu sind in der Studie von freelance.de kostenfrei zum Download verfügbar.
Freelancer erwarten positive Entwicklungen für ihre Auftragslage
Gefragt nach den Trends der kommenden drei Jahre blicken Freelancer vorwiegend positiv in die Zukunft. Drei Viertel sehen im wachsenden Fachkräftemangel eine Chance für ihr Geschäft. Das gleiche gilt für die zunehmende Digitalisierung und für den Trend New Work.
Negative Einflüsse auf die Auftragslage sehen 37 Prozent der Solo-Selbständigen durch den Krieg in der Ukraine und 55 Prozent durch die Inflation. Die Sorge ist begründet, denn laut der Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsinstitute in Deutschland wird die Inflationsrate im Jahr 2023 rund 6 Prozent betragen.
Gleichzeitig bewerteten 41 Prozent der in der Studie Befragten es als eher leicht oder gar sehr leicht, in 2023 neue Projekte zu gewinnen gegenüber beispielsweise dem Pandemiejahr 2021. Dieses Ergebnis korrespondiert mit der Prognose des Ifo-Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung), dass sich die Konjunktur im laufenden Jahr in nahezu allen Wirtschaftsbereichen erholen wird.
Das sind gute Voraussetzungen, um höhere Honorare mit den Auftraggebern zu verhandeln.
Mit diesen Strategien punkten Freelancer in Honorarverhandlungen
Eine gute Vorbereitung ist der Schlüssel zum Erfolg einer Gehaltsverhandlung. Wenn Sie die Eckpfeiler Ihrer Honorarvorstellung einmal gesetzt haben, können Sie in jeder folgenden Verhandlung darauf zurückgreifen. Es lohnt sich also, grundsätzliche Fragen zu klären.
Berechnen Sie die Höhe Ihres nötigen Einkommens
Erstaunlich wenige Menschen kennen ihre jährlichen Ausgaben und ihren tatsächlichen Finanzbedarf. Doch erst, wenn Sie Ihre Jahresausgaben kennen, können Sie Ihr notwendiges Einkommen ermitteln. Bei dieser Berechnung berücksichtigen Sie
- alle Ihre Fixkosten,
- Rücklagen für die Steuer,
- notwendige finanzielle Polster für Auftragsflauten oder Krankheitsausfälle,
- Zeit für Administration,
- Urlaubstage.
Am besten nutzen Sie eine Beispielsrechnung für die Frage, wie Sie Ihren Stundensatz als Freelancer kalkulieren.
Ermitteln Sie die Honorarstruktur
Für die Ermittlung Ihres Stundensatzes ist es wichtig, dass Sie die Honorarstruktur für Ihre Dienstleistung kennen. Was verlangt Ihre Konkurrenz? Fragen Sie Kollegen, besuchen Sie Foren für Freiberufler. Überlegen Sie sich, wo Sie sich im Vergleich mit Ihrer Konkurrenz einordnen. Wenn sie beispielsweise langjährige Erfahrung haben oder eine schwere Programmiersprache beherrschen, können Sie ein höheres Honorar fordern.
Argumentieren Sie mit Ihrer Kompetenz
Rechtfertigen Sie in der Verhandlung nicht Ihren Preis, sondern erklären Sie Ihr Angebot. Schlüsseln Sie auf, welche konkreten Leistungen Sie erbringen und zeigen Sie, welche Projekte Sie für frühere Kunden erfolgreich abgeschlossen haben. Falls Sie mit einem Bestandskunden ein höheres Honorar verhandeln wollen, argumentieren Sie nicht mit der Inflationsrate. Dieses Argument könnte Ihr Gegenüber für sich geltend machen als Grund, warum sie oder er nicht mehr bezahlen kann. Argumentieren Sie mit Ihrer Kompetenz.
Bewerten Sie die Attraktivität des Auftrags
Klären Sie für sich, wie wichtig Ihnen der Auftrag oder der Auftraggeber ist. Interessiert Sie das Projekt? Können Sie damit Ihre Kompetenz erweitern? Könnten Folgeaufträge oder eine längerfristige Zusammenarbeite entstehen? Wenn solche Faktoren mitspielen, sind Sie vielleicht kompromissbereiter in der finanziellen Verhandlung. Wenn Sie das Projekt nicht sehr spannend finden, könnte ein sehr gutes Honorar es attraktiver machen.
Überlegen Sie sich alternative Forderungen
Gehen Sie gut vorbereitet in die Verhandlung. Wenn Sie sich unsicher fühlen, schadet es nichts, ein paar Videos zu Verhandlungstaktik anzusehen oder mit einer Freundin das Gespräch zu üben. Setzen Sie für sich Ihre Maximalforderung fest, aber auch Ihre Untergrenze. Überlegen Sie alternative Vergütungsmöglichkeiten. Zahlt der Kunde möglicherweise einen Bonus, Urlaubstage oder Ihre Bahncard?
Seien Sie bereit, ein Angebot abzulehnen. Bevor Sie einen unattraktiven Auftrag annehmen, der sie möglicherweise über einen längeren Zeitraum bindet, akquirieren Sie lieber weiter. Ein großer Vorzug Ihrer Position als Freelancer ist, dass Sie bestenfalls nicht abhängig von einem Auftraggeber sind.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie
- Stundensatz: Freelancer sind mit ihrem Honorar überwiegend zufrieden. Sowohl in der Pandemiezeit als auch im aktuellen Jahr konnten viele es steigern.
- Branche: Höchste Stundensätze erzielen nicht IT-ler, sondern Selbständige in der Management- und Strategieberatung
- Gender Pay Gap: Weibliche Freelancer erhalten durchschnittlich um 9 Prozent geringere Honorare als ihre männlichen Kollegen. Bei weiblichen Festangestellten sind es 6 Prozent.
- Zukunft: Fachkräftemangel, Digitalisierung und New Work – diese Trends sehen 69 Prozent der befragten Freelancer positiv.
- Akquise: 41 Prozent der Freelancer fiel es eher leicht oder gar sehr leicht, 2023 neue Projekte zu gewinnen.
Nach welchen Kriterien berechnen Sie Ihre Stunden- und Tagessätze? Lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen!