„Sorgen gemischt mit Empörung“, begegnen Simon Diez, Dolmetscher und Übersetzer sowie Vorstandsmitglied beim BDÜ, wenn er aktuell mit Freelancern aus seinem Umfeld spricht. Das Jahr 2020 entwickelt sich auch für Freelancer in eine Richtung, die alles bisher Vorstellbare sprengt. Wie auch in vielen anderen Gesellschaftsbereichen, hat die Corona-Krise strukturelle Probleme der Freiberuflichkeit in Deutschland nur allzu sichtbar gemacht. Gleichzeitig werden Freelancer aber auf lange Sicht dazu in der Lage sein, die Stärken einer flexibler gestaltbaren Arbeit und die Erfahrung mit Unplanbarkeiten voll einzusetzen. Den Tag des Freelancers 2020 nehmen wir zum Anlass, mutig in die Zukunft zu blicken.
Freelancer 2020: Mutiges Unternehmertum mit Blick auf soziale Absicherung
„Die Coronakrise trifft die Wirtschaft und damit auch den Projektmarkt: geplante Projekte wurden teilweise verschoben oder wenn möglich, als Remote-Projekt umgesetzt, mache Projekte wurden leider gecancelt“, sagt Stefan Oberdörfer, Chief Brand and Sales Officer bei freelance.de, wenn er auf die Entwicklung der Projektangebote bei freelance.de blickt.
Im Interview mit freelance.de sagt Simon Diez, Vizepräsident des Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ), dass es schwerfällt, der Corona-Krise positive Aspekte abzugewinnen. Dennoch habe sich eines gezeigt: „Selbständige haben sich der neuen Situation sehr schnell angepasst und verstärkt Unternehmergeist gezeigt“, meint er. „Mobiles – und damit digitales – Arbeiten gehört schon seit Jahren zu unserem Geschäftsgebaren.“
Um sich nachhaltig gut aufzustellen, sollten Freelancer gerade jetzt weiter wagen, auf zukunftsfähige Trends zu setzen und digitales Marketing und digitale Prozesse weiter auszubauen. In der Zusammenarbeit mit Kunden hat es sich ausgezahlt, „dokumentierte Prozesse implementiert zu haben und das über Jahre gewachsene Maß an Komplexität bereits vorzeitig reduziert zu haben“, meint Heinrich Tenz, Vorstandsmitglied beim Deutschen Bundesverband Informationstechnologie für Selbstständige (DBITS e.V.),
Gleichzeitig sollten Freelancer gerade jetzt aber auch einen – ebenso mutigen – Blick in die Aufstellung der eigenen Finanzen werfen um eine ehrliche persönliche Bilanz zu ziehen. Da Freelancer grundsätzlich in der Lage sein sollten, Auftragsflauten zu überbrücken, muss – wo dies aufgrund der Schwere der aktuellen Krise nicht ausreicht – weiter an soziale Absicherung gedacht werden. Freilich haben Freelancers dabei nicht alles alleine in der Hand.
Freelancer 2020: Aufmerksamkeit für die Themen selbstbestimmter Arbeit schaffen
„Freiberuflich zu arbeiten könnte sicherer werden als Angestelltentum“, meint das US-Magazin Fortune, zumindest mit Blick auf die USA.
In Deutschland stößt den Freelancern aktuell aber genau eine Ungleichstellung von selbstständig Tätigen mit abhängig Beschäftigten sauer auf. Tenz und Diez wünschen sich vor allem mehr Verständnis und Akzeptanz für selbstbestimmte Arbeit. Und dabei gibt es sehr konkrete Forderungen, die Tenz formuliert: „So sollte es unbedingt einen Wechsel der Versteuerung von erwirtschaftetem Gewinn hin zu Gewinnentnahmen geben. DAS würde es einem Freelancer ermöglichen, Rücklagen für Krisenzeiten wie Corona zu bilden.“
Um Themen wie diese in die Öffentlichkeit zu bringen, sollten Freelancer jetzt gezielt auf die Arbeit in Verbänden und auf die Diskussion in und die Erweiterung persönlicher Netzwerke setzen. “Hinterm Horizont geht’s weiter” – nur wie? Machen wir weiter wie bisher oder nutzen wir die Erfahrungen aus der Krise zu einer Neujustierung unseres Politik-, Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells? – das fragt sich etwa Sigmar Gabriel in der Zeit. In vielerlei Hinsicht sind Freelancer bei aktuell aufbrandenden Themen schon längst Vordenker: Was zukunftsfähiges, selbstbestimmtes Arbeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht zum Beispiel.
Freelancer 2020: Die eigene Akquise weiterdenken
Gerade für IT-Spezialisten gibt es beruhigende Nachrichten: „Eine weitestgehende Konstanz können wir von freelance.de im Bereich der technologischen Projekte erkennen – hier wird auch weiterhin der Fachkräftemangel den IT Freelancer in die Karten spielen. Wir beobachten, dass gerade in den Trendbereichen wie KI, Big Data oder Business Intelligence freiberufliche Spezialisten sehr gefragt sind.“
Doch genau wie Spezialisten aus anderen Bereichen können auch IT-Freelancer – einmal mehr – die Wege der eigenen Akquise neu denken. Ganze Branchen – etwa Gastronomie, Handel, Reisen – setzen jetzt so stark wie nie auf Digitalisierung und Onlinemarketing. Hier gilt es, Verbindungen sowohl aus dem privaten, wie auch aus dem beruflichen Netzwerk auszubauen und adäquate Angebote zu machen, aber auch, große Trends nicht aus den Augen zu verlieren. Themen wie Künstliche Intelligenz, 3D-Visualisierungen oder virtuelle Realitäten erfahren jetzt eine Nachfrage aus ganz neuen Bereichen.
Sollten tatsächlich durch die Rezession – vorübergehend oder langfristig – mehr Freelancer auf den Markt drängen, dann können Selbstständige, die die Gründungsphase bereits hinter sich haben, ihren Vorsprung ausbauen. Dazu sagt Oberdörfer: „Die aktuelle Situation fordert Freelancer auf, die eigene Situation zu analysieren und den USP möglichst genau zu bestimmen. Auch wenn es nicht immer leicht fällt, brauchen gerade Krisen ein positives Mindset – das wiederum haben die meisten Freelancer aber sowieso.“ Vielleicht wird sich aber auch hier etwas durchsetzen, das zumindest den Anfang der Krise mitgeprägt hat – nämlich neue, auch interdisziplinäre Formen der Zusammenarbeit weiter auszubauen – anstatt gestrigem Konkurrenzdenken.
Hallo Kathrin
Danke für Deinen Artikel zum Freelancer-Tag. Du schreibst “Das Jahr 2020 entwickelt sich auch für Freelancer in eine Richtung, die alles bisher Vorstellbare sprengt.” – leider bewahrheitet sich dies auch fürs 2021. Es ist offensichtlich, dass dadurch noch mehr Freelancer geben wird und Leute in die Selbstständigkeit getrieben werden.
LG, Fabia