Ein Knackpunkt beim Thema Scheinselbstständigkeit ist die Art und Weise, wie Freelancer ihre Leistungen anbieten. Hinweise für eine Scheinselbstständigkeit sehen Prüfer etwa, wenn sich ein Freelancer auf eine ausgeschriebene Stelle bewirbt – anstatt ein eigenes Angebot abzugeben. Wir klären Sie auf wie das geht.
Vertrag: Dienst- und Leistungsverträge sind Trumpf
Für klare Verhältnisse können Auftraggeber und Freelancer gleich beim Vertrag sorgen, denn der Unterschied zwischen einem Arbeitsvertrag und einem Dienstvertrag fällt Prüfern sofort ins Auge.
Festgehalten sein sollte im Vertrag, dass allein der Freelancer für die Abführung von gesetzlichen Abgaben (wie die Sozialversicherung) verantwortlich ist. Für die Zeit der Beauftragung sollte klar sein, dass der Freelancer parallel noch für andere Projekte zur Verfügung steht. Lange Zeiten einer Vollbeschäftigung sollten also unbedingt vermieden werden. Als Faustregel kann gelten, dass der Auftragnehmer nicht mehr als die Hälfte seiner Kapazitäten für einen Einzelauftrag verwenden sollte. Außerdem muss klar ersichtlich sein, für welche Leistungen der Freelancer welche Art des Honorars erhält.
Angebote machen: So vermeidet man Scheinselbstständigkeit
Doch auch beim Thema Angebote steckt die Crux im Detail. Dr. Hartmut Paul ist zertifizierter Sachverständiger für Sozialversicherungsrecht und war lange Jahre Betriebsprüfer bei der Bundesknappschaft – er kennt also die Perspektive der Prüfer bestens. In einer Telefonkonferenz zum Thema Scheinselbstständigkeit mit dem VGSD (Verband der Gründer und Selbstständigen) räumte er mit Mythen zum Thema Scheinselbstständigkeit auf.
Die zu erbringende Leistung muss vom Freelancer im Angebot selbst kalkuliert werden. Indizien für eine echte Scheinselbstständigkeit seien, so Paul, Angebote, die Tagessätze kalkulieren – oder Pauschalpreise für Projekte.
Da sich im Verlauf des Projekts oft Änderungen ergeben, könne man sich hier mit Nachtragsangeboten behelfen. Schon im Vorhinein müsse also feststehen: „Achtung, das ist eine vorläufige Schätzung. Wenn ich damit nicht auskomme, dann liefere ich ein neues Angebot.“
Besonders gut seien erfolgsabhängige Vergütungen. Das bedeutet, dass man selbst ins Risiko gehe, wenn man keinen Erfolg hat – ein klarer Hinweis auf eine unternehmerische Leistung, so Paul.
Unternehmerisches Risiko: Persönliche Haftpflicht als gutes Indiz für Selbstständigkeit
Grundsätzlich sollte klar werden, dass im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer der Freelancer das Risiko selbst trägt. Für Paul ist eine Haftpflichtversicherung auf Seiten des Freelancers ein gutes Indiz für eine Selbstständigkeit. Der Freelancer könne damit glaubhaft machen, dass es Risiken in seiner Tätigkeit gibt, für die er auch selbst gerade steht – etwa wenn der Auftraggeber durch Handeln das Freiberuflers einen Schaden erfährt.
Dazu gehört aber auch der Nachweis, dass Freelancer ihre Leistungen selbst anbieten und somit unternehmerisch tätig sind – etwa mittels einer eigenen Website oder Visitenkarten. Zum unternehmerischen Handeln kann dann aber auch gehören, einem guten Kunden mal einen Gefallen tun und eine Leistung gratis oder günstiger anzubieten. Dies werde als Marketingaktivität gewertet – etwa, um eine Empfehlung zu bekommen oder ein gutes Verhältnis zum Kunden zu zementieren.
Mit Dokumentationen die Risiken der Scheinselbstständigkeit minimieren
Ein besonderer Tipp: Sind Absprachen nicht im Vertrag enthalten, können sie noch während des Projektablaufs dokumentiert werden, so Paul. Etwa, wenn wichtige Kriterien nicht klar herausgearbeitet worden. Unter der Überschrift „Dokumentation der gelebten Praxis“ könne dann festgehalten werden, dass der Freelancer eben nicht in den Räumlichkeiten des Auftraggebers arbeitet oder ein – eventuell neu aufgetauchtes – Risiko selbst trägt.
Für nähere Informationen finden Sie ein Video zum Thema „Scheinselbstständigkeit vermeiden“ des VGSD. Klicken Sie doch mal rein.
Jetzt sind Sie dran: Wie schützen Sie sich davor nicht scheinselbständig zu werden?
…wenig Hilfreich bei Projekten die typischer Weise 2 bis 4 Jahre laufen. Als das wären z.B. Migrationsprojekte bei “großen” Firmen, dabei benötigt man oft mindestens 6 Monate zum “Einlernen” ;-)
Wenn man Scheinweisheiten auf Bildzeitungsniveau nachplappert und ständig wiederholt, werden sie nicht wahrer. Tatsache ist, dass gute Aufträge eher 120% Kapazität brauchen denn die Hälfte. Ebenso sind sie nicht in 2 Monaten fertig. Oben genannt ist die Wunschvorstellung von Orndungshütern formuliert, die von der Praxis keine Ahnung haben. So etwas schreibt man in der Bildzeitung, aber nicht in diesem Portal!
Hallo Karbo,
danke für den Kommentar und Ihre Einschätzung.
Das Thema Scheinselbständigkeit beschäftigt die Branche doch sehr. Gerne gebe ich Ihnen die Möglichkeit in einem Betrag Ihre Erfahrungen mit dem Umgang von Scheinselbständigkeit darzustellen. Wäre das interessant für Sie?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit den besten Grüßen
Dagmar Heinze
freelance.de Team
Gefühlt ist meine Selbständigkeit auch eher Zeitarbeit auf eigene Rechnung = Freiberuflich. Ich strebe allerdings auch gefühlte echte Selbständigkeit an = Unternehmertum. Nur ist das aus finanziellen Gründen nicht so einfach.
Mein Ziel sind aber eigene Software-Produkte, die ich verschiedenen Kunden anbiete, remote warte und in eigenem Namen weiterpflege. Da wäre ich auch nur entfernt “weisungsgebunden”, z.B. Einbau von Zusatzfunktion in die Software, oder Fehlerbeseitigung im laufenden Betrieb (Gewährleistung), Schulung der Kunden. Doch man braucht eben mehr Grundkapital, um sich mal 1 oder 2 Jahre was aufzubauen, wo eben nicht sogleich etwas verdient ist. Am Ende lande ich dann wieder bei Kunden und übernehme Arbeitspakete. Da will ich aber weg davon, nach 25 Jahren Freiberuflichkeit.
Der m.E. ersichtliche Wille ist, die reine, individuelle Selbstständigkeit zu begrenzen. Was staatlich gewünscht ist, sind “Betriebe” als Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler und als Orte für das staatlich erwünschte Arbeitsleben. Firmen also, als “Nutztiere” einer ansonsten rein auf Arbeitnehmer und Beamte fokussierten öffentlichen Ordnung.
Solo-Selbstständige passen nicht in diese Systemvorstellung. Daher werden immer wieder neue Gesetzte erfunden, um uns zu schädigen, denn wir sind staatlich unerwünscht.
Hier ist echte Lobbyarbeit gefragt. Nicht nur die Freelancer müssen etwas machen sondern vor allem auch die Provider.