Flexibel, aber in zweiter Reihe?
Britta war eine wichtige Mitarbeiterin bei einem Online-Finanz-Magazin, als sie sich entschied, für ein Jahr in Elternzeit zu gehen. Als das Unternehmen während ihrer Elternzeit von Köln nach Berlin ging, war für sie klar, dass sie nicht mit umziehen würde. Und aus der ehemaligen Ressortleiterin wurde eine Freelancerin, die sich mit ihrem Team vor allem per E-Mail und Skype abstimmte.
Immer mehr Freelancer entscheiden sich für die Ortsunabhängigkeit und werden Teil von virtuellen Teams, die nicht nur zwischen Köln und Berlin, sondern weltweit an gemeinsamen Projekten basteln. Wenn Teamleiter ins kalte Wasser geworfen werden und ohne Vorbereitung virtuelle Teammitglieder bekommen, können Projekte in Schieflage geraten. Unklare Absprachen, schwelende Konflikte, interkulturelle Missverständnisse drohen.
Britta würde ihre Unabhängigkeit in ihrer jetzigen Familiensituation niemals gegen den alten Job eintauschen und baut sich derzeit einen größeren Kundenstamm auf. Doch während sie früher an vorderster Front stand, wenn es um Entscheidungen und Themenverteilung ging, verpasst sie heute immer wieder wichtige Neuigkeiten aus dem Team und fühlt sich zu oft zurückgesetzt, wenn es um die Vergabe interessanter Themen geht. Ihre veränderte Stellung im Team zu akzeptieren und weiterhin gute Arbeit leisten zu können, das kostet Energie.
Input durch die kreativsten Köpfe
Völlig andere Erfahrungen machte Arne Völker, Partner einer Kommunikationsagentur, die seit 2011 vollständig virtuell arbeitet. Anlass für die Umstellung war die Entscheidung der Partner, selbst auf Weltreise zu gehen. Von anderen belächelt, stellten sie 2010 kurzerhand ihre kompletten Prozesse um: Ab dem Recruiting läuft die gesamte Projektarbeit über Skypekonferenzen, ein Projektmanagement-Tool und Chats. Weniger Ablenkung als in herkömmlichen Agenturen, dafür viel Raum für kreative Arbeit, so lautet das Fazit der Agentur. Wenn sie etwas vermissen, dann das „Wir-Gefühl“, das sich in eng zusammenarbeitenden Teams sonst einstellt. Auch hier konnten sie Abhilfe schaffen: Jährliche Teamwochenenden.
Tipps für virtuelle Teams
Diese drei Punkte sollten Mitglieder von virtuellen Teams beachten:
1. Das Management
Kommunikationsexperten raten dazu, die Umstellung der Prozesse und das Projektmanagement bewusst zu gestalten. Folgende Fragen sollten Sie sich beantworten:
Als Teamleiter:
- Auf welche unserer Stärken kann ich bauen? Sind wir besonders flexibel, besonders gut im Onboarding neuer Mitglieder, sehr kommunikativ?
- Wie kann ich mögliche Schwächen ausgleichen?
- Wie kann ich mein Team schulen und dabei unterstützen, sich selbst zu organisieren?
- Wie kommunizieren wir? Reicht die Teilnahme an wöchentlichen Jour Fixes aus? Welche Informationen muss ich täglich weiterleiten?
- Wie kann ich eventuell entstehende Konflikte frühzeitig erkennen und bearbeiten, etwa durch eine andere Verteilung von Kompetenzen?
Als Freelancer:
- Welche Informationen brauche ich wann, um gute Arbeit leisten zu können?
- Welche Kommunikationskanäle kann ich nützen, wenn ich schnell Antworten brauche?
- Wie kann ich Feedback geben, wenn etwas nicht gut läuft?
2. Die richtigen Tools und Prozesse
Damit die Prozesse für alle nachvollziehbar sind und die Qualitätssicherung nicht leidet, muss Transparenz bewusst hergestellt werden. Klare Richtlinien erleichtern dem Team die Arbeit, sollten aber immer wieder auf ihre Praktikabilität hin überprüft werden.
Als Arbeitgeber:
- Welche Dokumentationen sind sinnvoll? Welche sind überflüssig?
- Wie kann ich klare Richtlinien aufstellen und kontrollieren, dass sie auch umgesetzt werden?
- Wie kann ich Datensicherheit gewährleisten?
Als Freelancer:
- Wie kann ich Dokumentationen in meinen Arbeitsfluss einbauen?
- Welche Abstriche muss ich in Sachen Flexibilität machen? Welche Zeiten muss ich dem Projekt einräumen?
- Wie kann ich Datensicherheit gewährleisten?
3. Vertrauen und Kontakte
Nicht zuletzt ist es die Atmosphäre, die ein gutes Team ausmacht, sowie das Vetrauensverhältnis zueinander und die Fähigkeit, füreinander einzustehen. Hier sind wieder Arbeitgeber und Freelancer gefragt. Während die Teamleiter den Freelancern Möglichkeiten zur Beteiligung bereitstellen müssen, sollten Freelancer diese immer wieder aktiv einfordern und eigene Ideen einbringen.
Jetzt sind Sie dran
Welche Erfahrungen machen Sie in virtuellen Teams?
Hand aufs Herz: Gehören Sie zu den etwa 11% aller Videokonferenzteilnehmer, die, glaubt man einer Studie, es sich während der Konferenz gerne etwas bequemer machen und keine Hosen tragen? Sind Sie, wie Britta inzwischen auch, immer mal wieder mit Handy am Ohr am Spielplatz unterwegs oder erledigen Sie die Gartenarbeit mit Headset am Kopf?
Wir freuen uns auf Ihre Anekdoten und Meinungen!