Speziell in einem stark regulierten Umfeld wird mitunter ein hoher Aufwand betrieben um neue Lieferanten einzuphasen. Es gibt ein Vielzahl von Prozessen die ein potentieller Lieferant durchlaufen muss, um schließlich zugelassen zu werden. Um diese Aufwände nicht exorbitant werden zu lassen greift man häufig auf bestehende Lieferanten zurück. So lange in einem Produkt die Einzeldisziplinen den Kompetenzen der Lieferanten zugeordnet werden können, funktioniert dies auch sehr gut. Denn wenn die Anforderungen eines Produktes oder einer Komponente den bekannten Skills eines Lieferanten zuzuordnen sind, sind kaum Schwierigkeiten zu erwarten.
Komplizierter wird es aber bei interdisziplinären Themen, wie man sie häufig im Bereich komplexer Systeme antrifft. Dann sollte die Fragestellungen von Beginn an eine andere Sein und die Lieferantenauswahl sehr viel bedachter angegangen werden. Denn hier ist bei der Bewertung eines Lieferanten Fingerspitzengefühl gefragt.
Grundlegende Fragen sollten hier bereits zu Beginn zu Tage treten und ernsthaft verfolgt werden:
– Kann der potentielle Lieferant das Produkt fertigen bzw. liefern?
– Wie schwer fällt dem Lieferanten die Fertigung des Produktes?
UND:
– Gibt es noch Potential, damit der Lieferant spätere, technische Änderungen sauber abbilden kann?
Kann der Lieferant alle Fragen nachweislich positiv beantworten ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit bis zum Ende des Projektes wahrscheinlich. Treten jedoch Zweifel auf, fragen sich verantwortliche Projektmitarbeiter oder Lieferantenbeauftragte oft, ob sie lieber gleich die Reißleine ziehen sollen oder die Sache aussitzen wollen. Letzteres führt höchstwahrscheinlich entweder zum Scheitern des Projektes oder zu einer Erhöhung der kalkulierten Projektkosten.
Es geht wohl allen Projektexperten so, dass sie Basiskomponenten zur erfolgreichen Umsetzung eines Projektes im laufenden Produkt- bzw. Systementstehungsprozess nicht noch einmal ‚anfassen‘ wollen.
In der Realität kommt dies dann aber leider sehr häufig vor! Denn wurde die Lieferantenauswahl nicht sorgfältig geprüft, kann es passieren dass der ausgewählte Lieferant nicht in der Lage ist technische Neuerungen umzusetzen. Dann wird aus einer kleinen Änderung am System bzw. Produktschnell eine große und kostspielige Baustelle.
Es ist außerdem substantiell für den Erfolg eines Projektes, dass sich die Verantwortlichen klar machen, dass der Lieferant, welcher das Produkt über seinen Produktlebenszyklus höchstwahrscheinlich besser abbildet, nicht gleichzeitig der günstigste ist.
Günstig ist hier im Sinne der beim Auftraggeber bestehenden Prozesse und Kalkulationsschemen zu verstehen. Nimmt man nämlich weitere Kosten und Risiken, wie z.B. nachgelagerte Entwicklungskosten über ein Life Cycle-Engineering oder Produktionsausfallkosten hinzu, verschiebt sich das Ergebnis deutlich. Eine ganzheitliche Betrachtung, welche mitunter auch gegenüber den einzelnen internen Abteilungen beim Auftraggeber argumentiert werden muss ist demzufolge sehr wichtig.
Es hat sich oft bewährt solche Prozesse von Vorneherein oder auch im laufenden Prozess durch einen externen Experten betrachten zu lassen. Denn als fest im Unternehmen angestellter Mitarbeiter verliert man manchmal den kritischen Blick und hat zudem die schwierige Aufgabe eine entsprechende Argumentation innerhalb des Unternehmens zu vertreten. Für feste Mitarbeiter ist die Hemmschwelle für das Nichterreichen einzelner Zielvereinbarungen von Kollegen verantwortlich
zu sein deutlich höher. Neutralität ist hier ein klarer Vorteil! Denn als Freiberufler ist man an dieser Stelle wesentlich ungebundener und kann eine entsprechende, ganzheitliche Argumentation aufbauen und gegenüber den einzelnen Abteilungen zu vertreten, um das Produkt letztlich ‚besser zu machen‘.
Über den Autor
Sebastian Rumpf, Dipl. Ingenieur
Herr Rumpf arbeitet derzeit als Projektmitarbeiter an der Entwicklung von Komponenten basierend auf IEC60601-1 und IEC 80601-2-35 unter Berücksichtigung von Produktdesign, Verifizierbarkeit und Riskmanagement. Er war bereits an einer Vielzahl von Projekten aus der Medizintechnik und anderen sicherheitskritischen Bereichen tätig. Seit 2014 arbeitet er zudem an der Entwicklung eines elektrisch betriebenen Kinderfahrzeugs. Die Basis hierfür bietet das Puky F1L. Angetrieben wird das Gefährt mit zwei bürstenlosen Elektromotoren an der Hinterachse. Der erste Prototyp wird derzeit getestet.
Eine weitere Ausbaustufe als hybrid ist in Planung.