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“Ich konnte gar nicht so schnell gucken, da war ich schon in die Scheinselbständigkeits-Falle getappt”, sagt Mareike Haller, Product Managerin bei freelance.de. Neben ihrem Studium arbeitete sie als Freelancerin in einem Marktforschungsinstitut. Überraschend geriet sie dabei in die Scheinselbständigkeit. Welche Kriterien sie übersah und welche Konsequenzen es für ihren damaligen Auftraggeber hatte, erzählt sie im Interview.
Mareike, Du warst in der Marktforschung tätig. Wie lange warst Du dort und welche Aufgaben hattest Du als Freelancerin?
Ich haben neben meinem Studium als Freelancerin in einem Marktforschungsinstitut gearbeitet. Dort habe ich sechs Monate lang Stichproben, Interviews und Tests gemacht. Meine Arbeitszeiten bewegten sich damals zwischen 16 und 30 Stunden pro Woche.
Hattest Du als Freelancerin nur einen Kunden oder mehrere?
Ich habe für verschiedenste Endkunden Marktforschung betrieben. Aber diese liefen alle über das eine Marktforschungsinstitut.
Wie hast Du damals erfahren, dass Deine Tätigkeit Kriterien einer Scheinselbständigkeit aufweist?
Ich bin ein perfektes Beispiel dafür, dass ich absolut nicht wusste, worauf ich mich einlasse. Ich war komplett ahnungslos. Mein Arbeitgeber hat mich informiert, dass es eine externe Prüfung gab und nun der Verdacht der Scheinselbständigkeit im Raum stand. Ich selber musste nichts tun, bekam aber etwas später Post von der Rentenversicherung. Beim ersten Brief handelte es sich um ein Schreiben zum Prüfungsverfahren zur Scheinselbständigkeit. Der nächste Brief verkündete dann bereits die Feststellung der Scheinselbständigkeit. Danach ging alles ganz schnell. Mein Arbeitgeber ging gerichtlich gegen die Feststellung vor – leider ohne Erfolg.
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Wusstest Du zu diesem Zeitpunkt, was die Kriterien einer Scheinselbständigkeit sind?
Ich hatte bereits davon gehört. Doch was Scheinselbständigkeit genau bedeutet, wusste ich nicht. Nachdem ich für verschiedene Endkunden gearbeitet habe, dachte ich, dass mich das nicht betrifft. Deshalb hatte ich auch nicht im Blick, ob ich die Kriterien einer Scheinselbständigkeit wirklich erfülle.
„Scheinselbständig sind jene, die auf Papier zwar freiberuflich tätig sind, in der Realität jedoch eher die Merkmale einer Person in Festanstellung aufweisen“
Es gibt keine klaren, eindeutigen Kriterien für Scheinselbständigkeit und es sollte immer der Einzelfall untersucht werden. An den folgenden Punkten können sich Freelancer jedoch orientieren, um ihre individuelle Situation etwas besser einordnen zu können.
3 Kriterien, die für eine Scheinselbständigkeit sprechen:
- Weisungsgebundenheit: Falls der Freelancer den Anweisungen des Unternehmens folgen muss und eine ähnliche Behandlung wie ein Angestellter erfährt, besteht die Möglichkeit, dass er als Scheinselbstständiger eingestuft wird.
- Einbindung in das Unternehmen: Im Rahmen einer projektbezogenen freien Mitarbeit dürfen keine Indikatoren für eine abhängige Beschäftigung vorhanden sein (z.B. ein fester Arbeitsplatz im Büro oder Vergünstigungen in der Kantine).
- Fremdbestimmtheit: Wenn der Freelancer nicht die Freiheit hat, seine Arbeitsweise eigenständig festzulegen, sondern in interne Prozesse integriert ist, stellt dies ein weiteres Anzeichen dar.
Warst Du die einzige Freelancerin, die das in dem Marktforschungsinstitut betraf?
Nein, die anderen Freelancer in dem Institut hat es auch erwischt. Es galt das Gerücht: Wo kein Kläger, da auch kein Richter. Solange das Institut nicht auf uns zukommt, gab es kein Risiko. Wir hatten zu dem Zeitpunkt eben nicht mit einer externen Prüfung gerechnet.
Was passierte für Dich und Deinen Auftraggeber, als die Scheinselbständigkeit festgestellt wurde?
Das Institut musste nachträglich alle Steuern und Sozialabgaben zahlen. Das war in etwa eine fünfstellige Summe. Ich musste rückwirkend Krankenkassenbeiträge nachzahlen. Schlussendlich war die Zusammenarbeit aber gut und ich wurde anschließend sogar als Festangestellte übernommen. Glück im Unglück. Ich bin noch einigermaßen glimpflich davongekommen, auch wenn die Nachzahlung einem Monatsgehalt entsprach.
Was sind Deine persönlichen Tipps, um Scheinselbständigkeit zu vermeiden?
- Informieren Sie sich als Freelancer auf jeden Fall über die Kriterien von Scheinselbständigkeit – mit all seinen Konsequenzen
- Prüfen Sie jedes Projekt im Detail vorab
- Bauen Sie sich mehrere Standbeine auf und arbeiten Sie nicht nur für einen Kunden. Sie können immer auf ein Unternehmen treffen, das sich zum Thema Scheinselbständigkeit nicht gut auskennt.
Kennen Sie die Kriterien einer Scheinselbständigkeit oder sind sogar selbst bereits in die Falle getappt? Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen!