In der Reihe freelance Tweets kommentieren wir grandiose, aberwitzige, aber auch ganz nüchterne Tweets über das Leben als Freiberufler. Heute kommentieren wir:
Ich arbeite fast täglich von 9 bis 21 Uhr (Lektorat, Indie-Dinge), bin abends kaputt, aber so glücklich wie noch nie. #freiberufler #glück
— Katherina Ushachov (@evanesca) September 9, 2017
Das Glück des Freelancers
Manchmal stehen die Sterne richtig günstig für einen Freelancer: Da flattert zur perfekten Zeit ein perfekter Riesenauftrag ins Haus. Ab auf Tauchstation, die Herausforderung angenommen und dann ordentlich austoben, ranklotzen, was Großes schaffen. Ein hochinteressantes Lektorat in Rekordzeit erledigen, eine völlig neue App programmieren, den Kunden mit einem puristischen Design der ganz neuen Art beglücken, eine Textkampagne aus der Feder fließen lassen.
Unser Umfeld reagiert verwundert bis verstört, klopft kopfschüttelnd immer wieder an die Tür: War da nicht was mit raus aus dem Hamsterrad und so? Hast du dich etwa selbstständig gemacht, dass du jetzt gar nicht mehr frei hast? Das soll das Glück des Freelancers sein?
Ja, dieser Flow ist das Glück des Freelancers. Dieser Flow, interessante Aufgaben und das Gefühl, sein eigener Boss zu sein.
Aber was für ein Boss ist das denn bitte!?
Aber, @evanesca deutet es an: Sie ist abends kaputt.
Welche Art von Boss würde denn bitte so mit uns umgehen? Uns konstant zu Höchstleistungen antreiben, Überstunden für selbstverständlich halten? Uns soziale Kontakte verbieten und nur ein Minimum an gesundem Essen und Schlaf ermöglichen? Auf Dauer sicher nur ein ganz mieser Chef, dem wir bald kündigen würden. Mitarbeiterführung ist nicht umsonst eine Kunst. Und will gelernt sein – auch als Freelancer, der nur sich selbst ein*e Chef*in ist.
Ein guter Boss!
Deshalb gehört es zu den vielen Aufgaben eines Freelancers auch, zu einem richtig guten Boss zu werden. Was würde der beste Boss der Welt für mich tun? Er/Sie würde mir zutrauen, dass ich meine Arbeit auch in weniger Zeit gut erledigen kann. Mir mal einen Tag spontan frei geben. Einen Bonus auszahlen. Mich fragen, wie es mir geht. Leistung einfordern, aber auch mal ein Auge zudrücken. Eine sündhaft teure Weiterbildung genehmigen, nur weil sie Vorfreudekribbeln auslöst.
Und, wenn es auch mal mehr zu tun gibt, dann würde er/sie auch schon mal eine Schokolade und heißen Tee vorbeibringen – wie anscheinend auch bei der digitalen Nomadin @ellenbauer:
if you have a big chunk of coding work to do, at least make yourself comfortable, right? so self-made chocolate & hot rooibos tea it is ☕️👌
— Ellen Bauer (@ellenbauer) September 11, 2017
Danke an mich selbst, du bist der beste Boss der Welt!
Ich habe völlig zufällig durch Google diesen Blogpost gefunden und musste schmunzeln. Natürlich genehmige ich mir auch mal kürzere Arbeitstage, aber wenn ich mir das Datum des Tweets anschaue … das war September 2017.
Damals war ich gerade dabei,
– meinen Umzug nach Österreich zu organisieren bzw. war ich mitten im Umzug
– hatte seit meiner Pause, bedingt durch meine Masterarbeit, das erste Mal wieder einen Lektoratsauftrag (und einen ziemlich fordernden dazu)
– und in zwei Tagen sollte mein Debütroman erscheinen
Klar habe ich da praktisch nonstop gearbeitet, um das alles umzusetzen. Und klar war ich hinterher kaputt, aber es war kein negatives “Ich bin tot, mein Leben ist doof”-Kaputt. Es war dieses erfüllende “Nach getaner – guter – Arbeit bin ich jetzt müde und habe mir meinen Feierabend redlich verdient”-Kaputt. (Das verspüre ich übrigens fast täglich, diese befriedigende Mattigkeit, die mit dem Gefühl einhergeht, was Wunderbares geleistet zu haben und mit sich und der Welt vollkommen zufrieden zu sein.)
Und als ich dann die ersten Käufe für meinen Roman auf Amazon mitverfolgen konnte, habe ich mich im Kreis gedreht und gekreischt wie ein kleines Mädchen, weil sich die harte Arbeit gelohnt hat.
(Und außerdem bin ich ein Workaholic. Es macht mich unglücklich, zu lange NICHT zu arbeiten. Da ich aber so privilegiert bin, dass ich außer meinem Freelancingjob nichts tun muss, passt das schon. Selbst und ständig ist die Frau.)