Auf den ersten Blick passen Freelancer für manche Mittelständler nicht ins Unternehmen: Macht es den Mittelstand nicht gerade aus, dass man sich kennt, dass informelle, fast familiäre Strukturen die Arbeitsatmosphäre prägen? Freelancer an Board zu holen erscheint da ähnlich aufwendig wie neue Festangestellte zu integrieren – und manch rechtliche Fragestellung wirkt abschreckend.
Doch gerade in dynamischen Zeiten bringt der Einsatz von Freelancern konkrete Vorteile – und rechtliche Anforderungen lassen sich lösen. Ein Überblick.
Freelancer in KMU – diese Einsatzbereiche sind sinnvoll
Gerade für schwierig zu skalierende Projekte oder Leistungen, die in nur geringem Umfang anfallen, ist es häufig besser, einen Profi einzusetzen, anstatt eine neue Stelle mit einem diffusen Aufgabengebiet zu schaffen.
Für den Einsatz eines Freelancers eigenen sich unter anderem folgende Bereiche:
- Systeme und Infrastrukturen: Gerade in kritischen Bereichen lohnt sich die Zusammenarbeit mit Profis, die flexibel einsetzbar sind und über Erfahrung und aktuelles Wissen verfügen. Freelancer lassen sich hier vor allem für das Aufsetzen neuer Projekte einsetzen – danach als punktuelle externe Begleitung für das intern erworbene Fachwissen.
- Webdesign und SEO: Webseiten aufsetzen lassen und regelmäßig warten sowie an die neuesten SEO-Empfehlungen anpassen lassen – auch dafür gibt es intern häufig viel zu wenig Kapazitäten für dauerhaften Erfolg.
- Social Media-Auftritte der Firmen: Ein sympathischer und kompetenter Außenauftritt wird am besten vom Profi gemacht – andernfalls drohen Fallen.
- Pressearbeit und Texten: Nur Nuancen unterscheiden einen guten von einem schlechten Auftritt – perfekte Texte wirken professionell und erzielen das gewünschte Ergebnis.
- Design und Grafik: Ein gutes Corporate Design wirkt, wenn es immer wieder den letzten Standards und Entwicklungen innerhalb des Unternehmens angepasst wird.
- IT-Projekte: IT-Projekte haben so spezifische Anforderungen, dass interne Spezialisten sich besser von Freelancern projektbezogen Unterstützung holen – und die eigenen Ressourcen für das Tagesgeschäft geschont werden. Vorteil auch hier: Durch die Zusammenarbeit entsteht wertvolles praxisbezogenes Wissen innerhalb der Firma.
- Controlling, Finanzen, Buchhaltung: Auch wenn es dafür bereits spezielles Personal gibt, kann es sich lohnen, Teile auszulagern, anstatt eine Abteilung aufzustocken. Auch hier gilt: Gerade im Bereich Controlling kann man sich zum Projektstart sehr gut Hilfe von außen an Board holen.
- Beratung: Von der Digitalisierung bis zur Geschäftsfeldentwicklung – externe Berater liefern als Sparringspartner nicht nur Erfahrung und Kontakte für neue Projekte, sondern auch eine wertvolle Außenperspektive.
Durch den gezielten Einsatz von Freelancern gewinnen Projekte an Effizienz, Kosten können eingespart werden – und Fachwissen wird zum Gewinn des Unternehmens an der richtigen Stelle eingesetzt.
Vermeiden von Scheinselbstständigkeit: Das ist rechtlich zu beachten
Rechtlich problematisch wird der Einsatz von Freelancern für ein Unternehmen, wenn die Betriebsprüfung eine Scheinselbstständigkeit feststellt. Um dies zu vermeiden, müssen Selbstständige auf eigenes Risiko beschäftigt sein und dürfen nicht weisungsbezogen handeln. Anders als häufig angenommen, genügt es nicht, einen weiteren Auftraggeber zu haben – trotzdem ist dies auf Freelancerseite eine Grundvoraussetzung.
Freelancer sollten deshalb im eigenen Unternehmen keine Emailadresse erhalten, nicht an Meetings teilnehmen, die ihre Aufgaben nicht betreffen und ihre Leistungen nach freier Zeiteinteilung erbringen dürfen. Dazu zählt auch, dass sie meist frei wählen können sollten, von wo aus sie ihre Leistungen erbringen.
Gute Zusammenarbeit mit Freelancern im Mittelstand: Darauf kommt es an
Trotzdem ist es für viele Teams unablässlich, direkten Kontakt zu Freelancern zu haben – hier können kreative Lösungen gefunden werden. Viel wichtiger aber ist die Kommunikation vor und während eines Projekts: Die zu erbringenden Leistungen müssen durch klare Absprachen festgelegt werden. Hierbei wird zwischen Dienstverträgen, Werkverträgen und Honorarverträgen unterschieden:
- Dienstvertrag: Hier schulden Freelancer (regelmäßige) Leistungen, aber nicht den Erfolg
- Werkvertrag: Der Vertrag wird über das Ergebnis abgeschlossen, die reine Leistungserbringung genügt nicht
Damit die Zusammenarbeit langfristig gut läuft, sollte es regelmäßige Rückmeldungen geben und sichergestellt werden, dass Freelancer auf alle relevanten Informationen zugreifen können. Wie auch bei Angestellten gilt: Freundlichkeit und Fairness sind kein Plus, sondern ein Muss, und das gilt auch für Finanzielles – so muss zum Beispiel jeder nicht vereinbarte Mehraufwand auch abgerechnet werden können. Um Vertrauen und Zuverlässigkeit sicherzustellen, können Freelancer über Empfehlungen aus dem Netzwerk oder auf renommierten Plattformen rekrutiert werden.
“Damit die Zusammenarbeit langfristig gut läuft, sollte es regelmäßige Rückmeldungen geben und sichergestellt werden, dass Freelancer auf alle relevanten Informationen zugreifen können.”
Das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Mangelhaftes Briefing ist für beide Seiten mit Nachteilen verbunden, denn es führt zu Missverständnissen und Zeitverlust. Auf ein ausführliches und vollständiges Briefing des Freelancers, gerade am Anfang der Zusammenarbeit, sollte unbedingt Wert gelegt werden. In Coronazeiten, in der Zusammenarbeit per Remote, umso mehr.
“…so muss zum Beispiel jeder nicht vereinbarte Mehraufwand auch abgerechnet werden können.”
Das ist ein weiterer heikler Punkt: Nachforderungen sind nur schwer durchsetzbar und hinterlassen auf Kundenseite nicht gerade einen guten Eindruck. Telefon- und E-Mail-Korrespondenz, häufig verbunden mit Bitten, mal schnell eben dies oder jenes zu erledigen, schröpfen das fakturierte Zeitbudget und bergen mehr Zeitaufwand in sich als die konkret beauftragte Maßnahme. In meinem Arbeitsalltag als Freelancer habe ich gute Erfahrungen gemacht, neben den dezidiert kalkulierten Maßnahmen eine monatlich zu entrichtende Pauschale für administrative Arbeiten mit anzubieten und abzurechnen.
Vielen Dank für den Artikel!
Ich glaube, viele KMUs verschenken die Möglichkeit, sich zeitlich befristete Impulse und Hilfe von außen zu holen. Sie verpassen damit eine Chance, Ihr Geschäftsmodell kritisch zu hinterfragen. Freiberufler können einen wertvollen Beitrag liefern, das eigene Geschäft effizienter und zukunftsicherer aufzustellen.
Nach meiner Erfahrung gibt es heute noch “zwei Welten” (klassischer Mittelstand & Entrepreneurs), die zum Teil wenig von einander wissen und dabei so viel von einander lernen könnten (Growth Hacking, Kunden-zentrierter Service, klassische Akquise, …). Freiberufler könnten das Bindeglied sein, diese Lücke zu schließen.
Und nein – es ist keine Schwäche, sich Hilfe von außen zu holen, sondern eine smarte Erweiterung des eigenen Horizonts.
Sehr guter und korrekter Artikel!
Das kann ich nur unterschreiben, mit der richtigen Kommunikation in den Projekten können alle Seiten nur davon profitieren. Unternehmen holen sich zusätzliches und wichtiges Wissen ins Haus. Ganz zu schweigen, von den Möglichkeiten kurzfristig Kapazitäten aufbauen und bedienen zu können.
Und wenn beide Seiten sich um eine transparente und offene Kommunikation bemühen, dann wird es i. d. R. auch ein jeweiliges Erfolgsmodell. Wenn Nachforderungen bzw. Nachkalkulationen gut begründet sind, stellen diese auch selten ein Problem dar, zumindest meiner Erfahrung nach.