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Die Bundesregierung arbeitet an einem „Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen“. Es geht mal wieder um das Thema Scheinselbständigkeit. IT-Freiberufler und ihre Auftraggeber sollten sich wappnen.
- Mit dem neuen Kriterienkatalog soll geprüft werden, ob eine Arbeitskraft beziehungsweise ein Leistungserbringer nicht in Wirklichkeit ein Arbeitnehmer des Kunden ist.
- Das Vorhaben ist geprägt von Fällen aus dem Niedriglohnsektor und dem Schutzgedanken zugunsten der Fremdarbeitskraft. Externe Spezialisten wie IT-Freiberufler hat kaum einer der am Gesetzesvorhaben Beteiligten im Blick.
Die Bundesregierung plant ein Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen. Im Kern geht es um einen Kriterienkatalog, mit dem abgefragt werden soll, ob jemand selbständig oder eigentlich Arbeitnehmer und damit scheinselbständig ist. Je nachdem, wie die Kriterien definiert werden, könnten sie die Erbringung von IT-Leistungen auf selbständiger Basis stark einschränken und in weiten Teilen sogar fast unmöglich machen. Ein erster Entwurf ist bereits für Mai geplant. IT-Freiberufler und deren Auftraggeber sollten dieses Gesetz im Blick haben, um nicht von neuen Rahmenbedingungen überrascht zu werden.
Worum geht es in dem Gesetz?
Im Koalitionsvertrag steht auf Seite 49: “Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt.” Anlass für dieses Vorhaben sind vor allem teils dramatische Fälle aus dem Niedriglohnsektor, zum Beispiel der Fleischindustrie. Um festzustellen, ob jemand tatsächlich oder nur “zum Schein” selbständig ist, verlangt die Rechtsprechung derzeit eine wertende Gesamtschau aller relevanten Kriterien des Einzelfalls. Das ist aufwendig. Deswegen soll ein Kriterienkatalog eingeführt werden. Ist eine bestimmte Zahl von Kriterien erfüllt, wird der Status “Arbeitnehmer des Auftraggebers” zugeteilt. Es existierte einmal ein ähnlicher Katalog, der alte Paragraf 7 Absatz 4 SGB IV, einigen vielleicht noch als “Scheinselbständigkeitsgesetz” bekannt. Diese Regelung wurde allerdings recht schnell wieder aufgehoben.
Wie können die Kriterien aussehen?
Welche Kriterien dieser Katalog konkret enthalten soll, ist noch nicht bekannt. Die Rechtsprechung kennt viele. So könnten zum Beispiel Vor-Ort-Tätigkeit, Nutzung von Arbeitsmitteln des Kunden, kein zurechenbares Ergebnis und Vergütung nach Aufwand als Kriterien für ein Arbeitsverhältnis angeführt werden. Laut Koalitionsvertrag liegt der Fokus auf “verdeckter Arbeitnehmerüberlassung”. Das heißt, es geht um Unternehmen, die mit eigenen Arbeitskräften – angestellt oder selbständig – Leistungen für Kunden erbringen. Daher ist fraglich, ob Aspekte jenseits eines konkreten Projekts noch eine Rolle spielen werden – wie mehrere Auftraggeber, unternehmerisches Auftreten und Risiko außerhalb des jeweiligen Projekts.
Warum betrifft das auch IT-Freelancer?
Mit dem Kriterienkatalog wird geprüft, ob eine Arbeitskraft beziehungsweise ein Leistungserbringer nicht in Wirklichkeit ein Arbeitnehmer des Kunden ist. Diejenigen, auf die das zutrifft, können nicht gleichzeitig selbständig sein. Das eine schließt das andere im Hinblick auf die geprüfte Tätigkeit aus. Es ist damit nur folgerichtig, dass die Kriterien auch in den Statusfeststellungs-Verfahren der Deutschen Rentenversicherung und den nachgelagerten Verfahren vor den Sozialgerichten angewendet werden – Schlagwort “Scheinselbständigkeit”.
IT-Freelancer und ihre Leistungen
Das Vorhaben ist geprägt von Fällen aus dem Niedriglohnsektor und dem Schutzgedanken zugunsten der Fremdarbeitskraft. Externe Spezialisten wie IT-Freiberufler hat kaum einer der am Gesetzesvorhaben Beteiligten im Blick. Das gilt nicht nur für IT-Freelancer, sondern auch für Ingenieure, Interims-Manager, Honorarärzte und weitere Experten und Berater. Jeder hat den Ausschnitt vor Augen, den er ändern will und der ihn betrifft. Die selbständigen Experten stellen nur einen kleinen Teil dieser “Fremdarbeitskraft-Landschaft” dar. Es besteht also die Gefahr, dass der Kriterienkatalog für eine andere Zielgruppe entwickelt wird, dann aber trotzdem auch für IT-Freelancer gilt.
Die Arbeitswelt verändert sich
Die Rechtslage ist schon heute kompliziert. Hinzu kommt die stetige Veränderung unserer Arbeitswelt, die geprägt ist von Digitalisierung, Vernetzung, Entwicklung zur Wissensgesellschaft und Flexibilisierung. Das führt auch dazu, dass die Grenzen zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen immer stärker verschwimmen. Ob ein starrer Kriterienkatalog dieser Situation gerecht werden kann, ist zweifelhaft.
Mit dem Thema “Zukunft der Arbeit” beschäftigt sich auch Professor Arnold Picot von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, Fakultät für Betriebswirtschaft. Er ist der Ansicht, dass es aufgrund der sich ändernden Arbeitswelt in Zukunft viel mehr Freiberufler geben wird. Langfristig ist ihm wahrscheinlich zuzustimmen, doch auf kurze Sicht könnte das zu erwartende Gesetz die Spielräume für Freiberufler einschränken.
Wann und ob das Gesetz kommen wird, lässt sich noch nicht mit letzter Sicherheit sagen. Es steht jedoch im Koalitionsvertrag und soll angeblich noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Den Betroffenen – also IT-Freiberuflern und deren Auftraggebern – ist zu raten, das Gesetzgebungsverfahren im Blick zu behalten. Sie sollten alle Möglichkeiten nutzen, damit auch ihre Belange gehört werden. (kf)