„Ist es für Bewerber über 45 Jahren schwerer einen Job zu bekommen?“ Diese Frage stellte das Netzwerk Karriereexperten.com seinen Mitgliedern. 55 Coachs und Berater antworteten, davon 45 (ca. 80%) mit „nein“ und nur elf mit „ja“ bzw. „jein“.
Damit unterscheidet sich die Expertenmeinung von der landläufigen Bewerbersicht. Die Begründungen für die Antworten sind allerdings sehr ähnlich, gleich wie die Frage beantwortet wurde. So sind alle Experten der Meinung, dass das Profil des Bewerbers entscheidend ist. Gerade ältere Bewerber könnten kaum um Jobs konkurrieren, die nur geringe Ansprüche an Qualifikation und Erfahrung stellten.
„Wenn eine Bürokraft nur Präsentationen und einfache Excel-Tabellen erstellen soll, kann die 50jährige erfahrene Sekretärin nicht mit der frisch ausgebildeten Bürokauffrau konkurrieren, vor allem wenn sie schlechtere Computerkenntnisse hat“, nennt Netzwerk-Betreiberin Svenja Hofert ein Beispiel. „Geht es dagegen darum, den Kunden auf Augenhöhe zu begegnen, Konflikte zu deeskalieren oder Abläufe professionell zu steuern, spielt Erfahrungswissen viel stärker mit herein“ so Hofert. In diesem Fall hätte ein älterer Bewerber Vorteile. „Gereift genug, um Routine und Methodik entwickelt zu haben, von der der Absolvent noch Jahre entfernt ist, und noch nicht zu alt, um in einem neuen Unternehmen noch einmal richtig durchstarten zu können. 45-Jährige sind Menschen in den besten Berufsjahren.“, ergänzt der Karriereberater und Unternehmensberater Günter Flott. So gebe es bei allen Jobs eine einfache Regel: Ist nur eine geringe Qualifikation erforderlich und sind persönliche Fähigkeiten wenig wichtig, punkten Jüngere – auch aufgrund ihrer meist niedrigeren Gehaltserwartungen. Ist dagegen Erfahrung, Branchenwissen und persönliche Stärke gefragt, sind Ältere im Vorteil.
Wie ist es dann zu erklären, dass viele ältere Bewerber über Schwierigkeiten bei der Jobsuche klagen? Oft liege das daran, dass ältere Bewerber nicht die Qualifikationen hätten, die inzwischen Standard sind, etwa bei den Computer- und Sprachkenntnissen. Sie seien es auch nicht gewohnt, jährlich eine Weiterbildung zu absolvieren, was etwa in den skandinavischen Ländern ganz normal ist. Weiterhin würden oft falsche Stellen ausgewählt, bei denen man mit jüngeren Bewerbern konkurriere, weil wenig Erfahrungswissen verlangt sei.
Die Outplacementberaterin Petra Perlenfein meint: „Arbeitnehmer in diesem Altern reflektieren bewusster und klarer ihre Stärken und Werte. Sie haben Kraft und Motivation, einen neuen Job zu beginnen, fühlen sich ein Stück unabhängiger.“
Das sei gerade in Führungspositionen oder in Jobs mit Kundenkontakt wichtig. Kunden wollten nicht immer nur jüngere Ansprechpartner haben, sondern solche, die ähnlich alt seien wie sie selbst. Da lebenslanges Lernen und damit eine kontinuierliche Weiterentwicklung ohnehin zum Maßstab in vielen Berufen geworden ist, werden alle, die so arbeiten, mit den Jahren auch immer wertvoller auf dem Markt. In Teams könne ein „senioriges“ Mitglied Ruhe und Professionalität einbringen. Fazit: „Beruflicher Erfolg ist keine Frage des Alters, sondern des eigenen Zutrauens zu sich selbst!“ konstatiert Karriereberaterin und ehemalige Führungskraft Martina Bandoly.