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46 km zur Arbeit. Jeden Tag. Hin und zurück. Die Rückkehr in meinen alten Job war mit Kind nicht mehr machbar. Halbwegs vernünftige Teilzeit-Jobs im Bereich Marketing oder Journalismus? Fehlanzeige. Also sagte ich mir: Selbst ist die Frau. Mithilfe der staatlich geförderten Ich-AG war Gründen damals völlig unbürokratisch möglich. Ich sah meine Chance – und nutzte sie.
Durch eine Anzeige im Lokalblatt akquirierte ich meinen ersten Kunden. Ein Mix aus Marketing und Textarbeiten wie Mailings, Pressemitteilungen und Texte für Info-Broschüren. Einsatz zunächst 2 Vormittage pro Woche. So konnte ich step by step in meine Selbstständigkeit hineinwachsen. Diese Zeit war total wichtig, um klarzukommen mit den Freiheiten des Freelancings und der neuen Verantwortung als Unternehmerin und Mutter.
Vor allem das Zeitmanagement für Familie und Beruf hatte ich mir als Freelancerin einfacher vorgestellt. Dito die Zeitersparnis: Zuhause sein, immer einen Blick auf den kleinen Rafi, schnell mal lecker kochen und nebenbei Projekte abarbeiten. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Genau!
Zeitmanagement für Beruf und Familie: aller Anfang ist schwer!
Gerade in der Zeit der Gründung musste ich viele Abstriche machen. Das „Supermama-Ding“ nahm ich als Erstes von meiner To-Do-Liste: Kindergeburtstage wurden in die kompetenten Hände unseres Mütterzentrums ausgelagert. Elternzeit gabs noch nicht. Aber sobald mein Mann zuhause war, war Papa-Sohn-Zeit. Und „Ja“, ich habe mir Zeit zum Spielen im Stadtpark, Geschichten vorlesen und kuscheln auf dem Sofa für meinen Sohn genommen. Aber „Nein“, ich hatte in den Anfängen keine Zeit zum Laternen basteln für den St. Martins-Umzug. Auch da ist der Papa hingegangen.
Ich musste mich um die Anträge für Fördergelder, einen Business-Plan, Werbemittel, Buchhaltungs-Know-how und Büroausstattung kümmern. Denn ich wollte nicht nur kurzzeitig als Freelancerin ein bisschen was dazu verdienen. Ich wollte mein Business als Texterin von Anfang an auf erfolgreiche Beine stellen: Wenn schon, denn schon!
Meine Key-Learnings zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Freelancer
Nehmen Sie sich Zeit: Seien Sie immer ganz bei Ihrem Gegenüber. Ob Kind, Kunde oder Partner / Partnerin: Bringen Sie die Wertschätzung entgegen, die Sie sich für sich selbst wünschen. Heißt: Kein Kundentelefonat beim Spielen oder den gemeinsamen Mahlzeiten. Kein spielendes Kind im Home-Office oder beim Remote-Arbeiten.
Sagen Sie Nein: Klare Grenzen helfen beim Zeitmanagement von Beruf und Familie. Wenn Sie einen Anruf verpasst haben, rufen Sie zuverlässig zum nächstmöglichen Zeitpunkt zurück. Für Termine gibt es immer eine zweite Möglichkeit. Trauen Sie sich danach zu fragen. Seien Sie ein Partner oder eine Partnerin, auf den bzw. die man sich verlassen kann. Dafür müssen Sie nicht 24/7 erreichbar sein.
Bauen Sie Puffer ein: Takten Sie Ihre Abgabetermine nicht zu eng. Gerade, wenn die Kinder noch klein sind, kann immer wieder etwas dazwischenkommen. Ihre Arbeit wird besser, wenn Sie diese entspannt erledigen. Und Kunden freuen sich, wenn Sie pünktlich oder früher liefern. Die gewonnene Zeit lässt sich super für die Kundenakquise oder Buchhaltung nutzen.
Nutzen Sie Ihr Netzwerk: Erweitern Sie Ihr Netzwerk kontinuierlich durch neue Projekte, neue Projektbeteiligte, durch Präsenz bei Kunden aber auch auf Plattformen wie XING, LinkedIn oder freelance.de. Jeder Kontakt und jede Anfrage wird zum Teil Ihres Netzwerks. Je größer Ihr Netzwerk, desto größer die Zeitersparnis für Kundenwerbung!
Zeitersparnis durch remote arbeiten: steckte noch in den Kinderschuhen
Mein Vorbild war meine ehemalige Kollegin Claudia: Sie arbeitete schon seit vielen Jahren selbstständig als Buchhalterin. Immer 1A für ihre Freelance-Jobs gekleidet. Immer super strukturiert: 1 Stunde Vorarbeiten im Home-Office, pünktlich ab 9 beim Kunden. 12:30 Mittagessen. Für Selfcare hatte sie Zeitfenster für Tanzen und Fitness eingeplant. So wollte ich auch sein: erfolgreiche Unternehmerin mit funktionierender Work-Life-Balance. Yes!
Bis ich soweit war, hatte ich noch einen langen, oft holprigen, Weg vor mir. Denn im Gegensatz zu Claudia hatte ich ein Kind. Und remote arbeiten war gesellschaftlich noch nicht so akzeptiert wie heute. Ganz zu schweigen von den technischen Voraussetzungen für Remote-Jobs: Eine E-Mail dauerte ewig, größere Datenmengen wurden auf CD gespeichert, per Post versendet oder persönlich beim Kunden vorbeigebracht. Und so war Freelancing für mich erstmal ein Mix aus priorisieren und improvisieren.
Beruf und Familie: für eine Vereinbarkeit braucht es klare Grenzen
Vor allem in den ersten Jahren musste ich viele Stunden bei Kunden vor Ort arbeiten und dafür eine Betreuungslösung finden. Eine Kita gab es nicht. Erst mit knapp 3 Jahren hatte ich einen Kindergartenplatz für meinen Sohn.
Ziemlich zeitaufwändig und kostspielig war auch die Kundenakquise: Flyer verschicken und Anzeigen schalten. Das Internet steckte insgesamt noch in den Kinderschuhen. Und Plattformen wie freelance.de – heute eine echte Zeitersparnis bei der Jobsuche – waren Zukunftsmusik. Ebenso wie ein Home-Office, das diesen Namen auch verdiente.
Meines bestand aus einem kleinen Schreibtisch mit PC und Modem, um mich mit dem Internet zu verbinden. In einem Kämmerchen neben dem Wohnzimmer. Dunkel. Ohne Fenster. Weit von dem entfernt, was man heute unter guten Voraussetzungen für remote arbeiten versteht. Immer und überall in unserer Wohnung lagen deshalb Zettel mit Notizen, Telefonnummern, Zeitungsanzeigen und Flyer rum, die ich überarbeiten sollte. Das reinste Chaos!
Besser wurde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erst, als wir uns mit 2 goldenen Regeln räumliche und strukturelle Grenzen gesetzt hatten.
Anspruchsvolle Projekte finden und erfolgreich selbstständig arbeiten.
Regel Nummer 1 für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Gutes Zeitmanagement
Ein klares Zeitmanagement bringt Ruhe in den Beruf und die Familie. Hierfür haben wir die Wochentage in klare Freelance-Zeiten, Familien-Zeiten und Selfcare-Zeiten aufgeteilt. Wir sind hierbei anfangs von einem 12-Stunden-Tag ausgegangen. In der Anfangsphase hatte ich 3 x je 4-Stunden und 2 x je 2 Stunden Freelance-Zeit. Ganz gleich, ob beim Kunden vor Ort oder Remote Arbeiten. Plus/Minus Zeiten für Arbeitswege.
Abends arbeiten, wenn das Kind schläft, ist generell möglich. Heilig sind gemeinsame Mahlzeiten zu festen Zeiten und der Sonntag ist Familientag. Mindestens einen Abend pro Woche hat jeder Elternteil nach Absprache seine persönliche Auszeit. Entwickelt sich automatisch: Je größer die Kinder werden, desto mehr Zeit für Entspannung, Selbstfürsorge und Zeit zu zweit. Der Samstag ist Flexi-Tag. Hier entscheiden wir ad hoc: Muss ein Projekt dringend fertiggestellt werden oder steht ein anderer wichtiger Termin an, verschafft der andere Elternteil den nötigen Freiraum dafür. Regel Nummer 1 gab uns einen konkreten Rahmen vor, an dem wir uns orientieren konnten. Ausnahmen gab es, waren aber nicht die Regel.
Regel Nummer 2 für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Ordnung im Homeoffice
Wir halten gemeinsam Ordnung und sorgen dafür, dass wir in einem gesunden Raumklima wohnen und arbeiten. Dazu gehört auch, dass alles, was mit Remote Arbeiten ins – mittlerweile sehr hübsche und Tageslicht durchflutete – Home-Office gehört. Wer im Home-Office arbeitet, schließt die Tür. Dies gilt als Zeichen: An den Wochentagen für „Do not disturb“. In der arbeitsfreien Zeit für „Jetzt ist Feierabend!“. Regel Nummer 2 klappte sofort zu 100%.
Mein Fazit für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie:
Work-Life-Balance gut, Freelancing gut
Sich selbst ständig zu motivieren, Arbeitszeiten und -routinen so zu organisieren, dass sie eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, ist DIE Herausforderung für Freelancer. Neben effizienten Workflows, einem unternehmerischen Mindset und einem durchdachten Zeitmanagement für Familie und Beruf, sind bewusste Auszeiten für Selfcare erfolgsentscheidend. Egal ob Sport, Wellness oder in Ruhe ein Buch lesen: Selbstfürsorge ist ein fixer Termin mit mir! Denn nichts funktioniert, wenn man als Mensch nicht mehr funktioniert!
Mit großer Begeisterung nutze ich deshalb heute digitale Tools und Techniken, wenn sie meine Arbeit und mein Leben als Freelancer erleichtern. Von der Buchhaltungssoftware bis hin zu Freelancer-Plattformen wie freelance.de. Die Zeitersparnis in der Kundenakquise ist ein Plus. Hier kann ich ohne großen Aufwand interessante Projekte finden – und gefunden werden. Die größte Errungenschaft für freiberuflich arbeitende Eltern ist meiner Meinung nach das positive Mindset von immer mehr Unternehmen in Bezug auf Remote-Arbeiten. Deshalb: „Ja“. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie klappt als Freelancer. Heute besser, denn je.
An welchen Regeln orientieren Sie sich als Freelancing-Elternteil? Welche Geheimtipps oder Learnings haben Sie für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Lassen Sie es uns in den Kommentaren wissen!